Präzise Positionierung für das Large Binocular Telescope (LBT)

2004 | Bei einem Teleskop für die Astronomie ermöglicht etwa die Kombination aus DC-Kleinstmotor, Encoder und spielarmen Planetengetrieben die präzise Positionierung optischer Baugruppen.

Unendliche Weiten

Im Jahr 2004 wird auf dem Mount Graham im US-Bundesstaat Arizona das leistungs­fähigste Einzel-Teleskop der Welt in Betrieb gehen (Bild 1). Die Astronomen wollen damit vor allem weit entfernte Milch­straßensysteme, junge Doppelsterne und neu geborene Sonnen ins Visier nehmen.

Im Prinzip ist dieses "Large Binocular Telescope" ( LBT), das bei einer Höhe von mehr als 20 m über 600 t wiegt, ein überdimensionaler Feldstecher. Seine beiden Spiegel haben einen Durchmesser von jeweils 8,4 m und bilden zusammen ein rund 100 m2 großes Auffangbecken für das Licht. So können sie auch noch die Strah­lung leuchtschwacher Objekte am Rand des beobachteten Universums einsammeln. Das Zusammenspiel der beiden im Abstand von 14,4 m montierten Spiegel verleiht dem Teleskop dabei ein Auflösungsvermögen, das dem eines Fernglases mit 23 m Durchmesser entsprechen würde. Jeder Spiegel gleicht einer überdimensionalen Honigwabe aus Borsilikat-Glas und wiegt 15,6 t.

 

Interferenz als Schlüssel zu hoher Bildschärfe

Der Aufbau des Teleskops und der darin integrierten optischen Systeme garantiert den Wissenschaftlern hohe Flexibilität bei ihren Beobachtungen (Bild 2). So können sie mit jedem der Spiegel unabhängig von­einander das selbe Objekt betrachten, durch leichtes Kippen der Sehachsen aber auch unterschiedliche Objekte studieren oder sich mit beiden Spiegeln ein und das­selbe Objekt mit höchstem Auflösungsver­mögen vornehmen.
Dabei hilft ihnen ein physikalischer Kunstgriff: Um die ungewöhnlich hohe Bildschärfe zu erreichen, werden die von jedem Einzelspiegel reflektierten Licht­strahlen überlagert, das heißt zur lnterferenz gebracht. Die Auflösung wird dadurch fast zehnmal besser als bei bisher üblichen Einzelteleskopen. Voraussetzung für die reibungslose Funk­tion des LBT ist jedoch, dass die in den drei Partnerländern USA, Italien und Deutschland gefertigten Einzelkom­ponenten reibungslos zusammenarbeiten und auch unter den erschwerten Bedin­gungen am Einsatzort störungsfrei funk­tionieren. Immerhin ist der Mount Graham etwa 3300 m hoch. Minusgrade, die mit bis zu 90 Prozent recht hohe Luftfeuchtigkeit und teilweise extreme Temperaturschwan­kungen charakterisieren das Klima in die­ser Höhenlage.

 

Positioniereinheit für die lnterferenzbildung

Wenn durch Interferenzbildung ein hoch­auflösendes Bild entstehen soll, müssen die an beiden Spiegeln angebrachten opti­schen Baugruppen, die das reflektierte Licht bündeln und zur Überlagerung brin­gen, mit einer Genauigkeit von 5 µm posi­tioniert werden. Zu diesem Zweck ent­wickelte die Firma Feinmess, Dresden, ein Dreiachs-Positioniersystem (Bild 3), das an den beiden Spiegeln des LBT die entspre­chende Optik in die richtige Lage bringt. Dazu sind in horizontaler Richtung Distanzen bis 200 mm zu überwinden (Längspo­sitionierung) und in verti­kaler Richtung zum Fo­kussieren Entfernun­gen bis 50 mm.

Gleichzeitig muss die optische Baugrup­pe bis zu einem Win­kel von 36° gedreht werden. Um die erfor­derliche Positionierge­nauigkeit zu gewähr­leisten, muss das Sys­tem möglichst spielfreiarbeiten. Den Antrieben an den Achsen kommt daher eine besondere Bedeutung zu.Hier fiel die Wahl auf Antriebe von Faul­haber. Der klassische Glockenankermotor mit eisenloser Rotorspule bietet für solche Anwendungsbereiche sehr günstige Vor­aussetzungen. Die kleinen DC-Antriebe ar­beiten auch unter widrigen Umgebungsbe­dingungen zuverlässig. Sie verkraften Um­gebungstemperaturen zwischen - 30 und + 125 °C und lassen sich - entsprechend ausgelegt - auch durch hohe Luftfeuchtig­keit (bis 98 Prozent) nicht beeinträchtigen.
Ein wichtiger Grundgedanke für die Motorenauswahl war außerdem der sofor­tige und drehmomentstarke Anlauf des Gleichstrommotors nach Anlegen einer Spannung. Unmittelbare Reaktion auf Steuersignale ist so sichergestellt. Die frei­tragende Kupferspule ermöglicht außerdem eine sehr leichte Motorenausführung bei einem hohem Wirkungsgrad von bis zu 80 Prozent. Die an allen drei Achsen des Positioniersystems eingesetzten Motoren sind bei einem Durchmesser von 26 mm le­diglich 42 mm lang; bei Drehzahlen bis 6000 Umdrehungen pro Minute liefern sie eine Abgabeleistung von 23,2 W.

Kompakte Einheit aus Motor, Getriebe und Impulsgeber

In der beschriebenen Anwendung wurden die Motoren mit zweistufigen Planeten­getrieben kombiniert, die mit einer Unter­setzung von 16 : 1 arbeiten. Sie werden stirnseitig auf den Motor geflanscht und überzeugen nicht nur durch die kompakte Bauform, sondern auch durch ruhigen Lauf und Langlebigkeit. Für den Einsatz am Positioniersystem wurde das Getrie­bespiel optimiert. Statt der bei Serienge­trieben üblichen Werte von etwa 1 ° arbei­ten diese Planetengetriebe mit einem Spiel von nur 12 Winkelminuten, gemessen an der Abtriebswelle.
Für die präzise Positionierung ist es zwingend, die Ist-Position der Motoren zu kennen. Bei den am LBT verwendeten Po­sitioniersystemen wird sie an jedem Motor mit einem optischen Impulsgeber erfasst, der pro mdrehung 500 Impulse liefert. Mit einer Metallscheibenblende werden im Durchlichtverfahren zwei um 90 Grad phasenverschobene usgangssignale er­zeugt. Der Jndeximpul ist mit dem u - gang B s nchronisiert. Für jeden der drei Kanäle gibt es invertierte Komplementär­signale. Der Impulsgeber wird am freien Ende der Motorwelle aufgesteckt und mit drei chräubchen fixiert. Die Zuführung der Ver orgung spannung für den Impuls­geber und den DC-Kleinstmotor sowie der Ausgangs ignale erfolgt über ein Flach­bandkabel und einen zehnpoligen Steck­verbinder. Da die kompletten ntrieb ein­heiten aus Motor, Getriebe und Impul ge­ber sehr kompakt aufgebaut sind, ließen sie sich problemlos in die Dreiachs-Positio­ niersystemen integrieren. Miniaturi ierte Antriebstechnik trägt damit wesentlich dazu bei, dass das LBT der astronomischen Forschung eine neue Dimension erschlie­ßen kann.